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Was bleibt, ist mehr

Viele Alltagsbauten der Nachkriegsjahre sind heute marode und energetisch wie auch funktional veraltet. Eine Sanierung des Profanen kann sich trotzdem lohnen –  ökologisch, gestalterisch und sogar finanziell. Das beweist das Jugendwohnhaus des Kolpingwerkes in Köln-Ehrenfeld, saniert vom Kölner Büro Pannhausen + Lindener Architekten.

Sanieren oder abreißen und neu bauen? Diese Frage stellte sich das Kolpingwerk für sein fast siebzig Jahre altes Jugendwohnhaus in Köln-Ehrenfeld. Der Altbau besteht aus einem Stahlbetonskelett, dessen Außenseiten mit einem 24 cm dünnen Bims-Mauerwerk einschalig ausgefacht und ungedämmt verputzt waren. Im Innern hatte man die Räume teils mit Mauerwerk, teils in Trockenbauweise abgetrennt. Baumaterial war damals knapp. Man baute sparsam, mit geringen Stärken und mit dem Material, was sich günstig fand. Aber was bleibt an nutzbarer Ressource, wenn bei einem solchen Gebäude alles Nicht-Tragfähige und Gestückelte, alles Marode und Dysfunktionale zurückgebaut ist? Lohnt sich eine Sanierung, wo doch der Umgang mit dem Bestand oft komplizierter und zeitaufwendiger ist als ein Neubau? Das sollte ein Team von Pannhausen + Lindener Architekten zunächst herausfinden, bevor Planungen konkret wurden.

Der Architekt und Projektleiter Sebastian Gröger berichtet: „Die Bausubstanz war überwiegend in einem schlechten Zustand.“ Die Baufälligkeit im Innern sprach also eher für einen Neubau. Die Grundstruktur jedoch war tragfähig und aus Beton, ein Rohstoff, der durch seine Herstellung viel CO2 emittiert. Um das Klima zu schonen, muss Beton einen möglichst langen Lebenszyklus haben. Die Architekten berechneten, dass die Sanierung des Gebäudes nur etwa halb so viele CO2-Emissionen verursachte wie ein Betonneubau. Letztlich entschied diese Ökobilanz für die Sanierung des Hauses.

Sanierung Grundriss

Bei den Jugendwohnhäusern des katholischen Kolpingwerkes steht traditionell das soziale Miteinander im Vordergrund. Die Häuser sollen jungen Menschen, die für die Ausbildung in ihnen oft fremde Städte ziehen, ein familiäres und bezahlbares Zuhause geben. Diese Idee von Gemeinschaft erkennt man heute noch im Grundriss. Denn die Architekten erneuerten im Innern zwar fast alle Flur- und Trennwände, den Grundriss von 1955 aber veränderten sie dabei kaum. Das begründet Gröger: „Das alte Raster aus Betonstützen gab einfach wenig Spielraum für eine andere Raumaufteilung.“ Die privaten Zimmer blieben daher recht eng. Sie wurden aber technisch erneuert, funktional möbliert und bekamen je ein zeitgemäßes Bad.

Bei Enge werden die Flächen in der Gemeinschaft wichtiger. So teilen sich heute die bis zu zwanzig Bewohnenden eines jeden Geschosses eine große Gemeinschaftsküche. Zusätzlich können alle Mieterinnen und Mieter die Eingangshalle und verschieden große Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss und Keller nutzen. Das ist ein Mehrwert, den der Bestand mit sich brachte, der aber auch dem Bauherrn zu verdanken ist. Denn heute muss sich üblicherweise jeder neu gebaute Quadratmeter in der Stadt schnellstmöglich amortisieren. Die hier im Bestand äußerst großzügig geschnittenen Gemeinschafts-, Treppen- oder Eingangsflächen dürfen glücklicherweise bleiben. So bietet das Haus viel Ausweich- und Bewegungsfläche, die das dichte Zusammenleben gut verträglich machen. Mehr noch: Diese Bewegungsflächen erweitert das Architektenteam bis in den Außenraum. Hinter dem Haus stand vor der Sanierung ein alter Anbau, der weichen musste, um Platz zu machen für einen Gartenhof mit Sitzbänken, Bäumen, Fahrradabstell- und Grünflächen.

Ein zweiter funktionaler Aspekt der Sanierung war die Barrierefreiheit. Die Architekten ergänzten an der Gartenseite eine Rampe ins Hochparterre und an der kurzen Gebäudeseite einen Aufzug. Dieser erreicht nun alle Geschosse barrierefrei, von außen, so dass im Innern kein kostbarer Wohnraum verloren ging. Auch einige Zimmer sind nun barrierefrei, ebenso alle Gemeinschaftsflächen.

Das Alte erkennbar lassen

Auch nach der Sanierung ist das Wesen des alten Gebäudes erkennbar. Nicht nur, weil der Grundriss blieb. Auch anderes blieb unverändert, weil es funktionsfähig war und jetzt dem Gebäude Patina verleiht, wie das alte Treppenhaus, „das jetzt eben auch so alt aussieht, wie es ist“, sagt Gröger. Mit viel Aufwand arbeiteten die Architekten die typischen Merkmale zum Beispiel bei der Treppenhausfassade auf. Hier sollte das alte Panoramafenster als Merkmal erhalten bleiben und lediglich eine zeitgemäße Verglasung bekommen. Gröger erzählt: „Die sichere und wärmebrückenfreie Befestigung der neuen Verglasung samt Pfosten-Riegel-Konstruktion an die neu gedämmte Fassade war kniffelig.“

Manches aber musste erhalten bleiben, wie einige Flurwände im Dachgeschoss, die das Dachgebälk tragen und deren Austausch daher mit sehr viel Aufwand verbunden wäre. Das Alte ist eben bei jeder Sanierung eine zweischneidige Sache: Der erhaltungswürdige Charakter einerseits, die sanierungsbedürftige Materie andererseits. Gröger stellt fest: „Technisch waren die größten Probleme die Maßungenauigkeiten sowie der marode Zustand der alten Bausubstanz und die Frage, wie wir mit beidem umgehen können.“

Dämmung der Hüllflächen mit Mineralwolle

In der Fassade fand das Architektenteam dazu eine sehr gute Lösung: Es überdämmte die Bestandsfassade mit einem Wärmedämmverbundsystem aus Mineralwolle. Dafür verbesserten die Architekten lediglich die Haftfähigkeit des Altputzes mit Schlitzen. Mineralwolle hat den Vorteil, dass sie sich wegen ihrer flexiblen Oberflächenbeschaffenheit auch unebenen Untergründen sicher und dicht anpasst. Das vereinfacht das Dämmverfahren.

Ausschlaggebend für die Wahl des Dämmmaterials war übrigens der Bauherr selbst, wie Gröger berichtet: „Der Bauherr bestand auf nachhaltige Dämmmaterialien. Da kam für die Fassade als nichtbrennbarer Dämmstoff nur Mineralwolle in Frage.“ An die Gartenfassade wurden 18 cm starke WDVS-Platten aus Mineralwolle montiert. Auf der Straßenseite konnte wegen der verbindlichen Baugrenzen nur eine 14 cm starke Dämmung aufgebracht werden. Die aber reicht aus, um die typischen Wärmebrücken eines Nachkriegsgebäudes – das sind vor allem die durchlaufenden Betondecken und -träger – sicher zu überdämmen. Außerdem ließen die Architekten die alten Fenster gegen zeitgemäße, wärmedämmende Modelle austauschen.

Der ungenutzte Spitzboden des alten Daches war ein großer Vorteil für das Dämmverfahren: Die oberste Geschossdecke erhielt eine dünne Dämmlage aus Mineralwolle, die vor allem den Schallschutz verbessert. Das Gebälk ließen die Architekten innenseitig mit OSB-Platten verkleiden und mit einer Einblasdämmung zwischen den Sparren dämmen. Gröger sagt dazu: „Die Einblasdämmung ist gerade bei komplexen Dächern ein einfaches und sicheres Dämmverfahren.“ Per Einblasdämmung lässt sich jeder Winkel gut ausdämmen, ohne den eventuell komplizierten Zuschnitt von Dämmplatten.

Auch den Keller ließen die Architekten mit einer Perimeterdämmung außen vor den Kellerwänden sowie einer Dämmlage innen auf der Bodenplatte dämmen. Mit der energetischen Sanierung und den hier beschriebenen Dämmmaßnahmen erreichte das Gebäude den KfW-55-Standard. So konnte der Bauherr die Sanierung mit der entsprechenden BEG-Förderung teilfinanzieren.

Fenster und Fassade

Dass trotz dieser lückenlosen Dämmhülle der Gebäudecharakter von außen erhalten bleibt, liegt an zwei Aspekten: Das Architektenteam orientierte sich an den alten Fassadenproportionen und griff die für die 1950er-Jahre typischen, modernen Fassadenmerkmale auf. Weil die neue Hülle die Außenwand dicker macht, würden die Fenster in ihrer alten Position eingerückt und zu tief wirken. Die alten Proportionen wären dann gestört. Daher übernahmen die Architekten zunächst für die neuen Fenster die Maße der alten. Dann aber positionierten sie die Fenster mit einer dämmenden Haltekonsole auf die Bestandsfassade und überdämmten die Konsole mit dem WDVS aus Mineralwolle. So sitzen die Fenster also weiter außen, in der neuen Dämmebene. Das ist energetisch sinnvoll und verbessert zugleich die Außenansicht der Fassade.

Neben den Proportionen sind es die Fensterbänder, die die Fassade prägen und ihr eine retrospektive Anmutung geben. Dafür rahmten die Architekten die horizontale Einheit der Fenster mit Lisenen aus Porenbeton, die sie auf das WDVS klebten. Zudem gestalteten sie die Fläche innerhalb des Fensterbandes unterschiedlich zu der übrigen Fassadenfläche. Die nämlich ließen sie mit weißen Riemchenklinkern bekleben, während sie das WDVS innerhalb der Fensterbänder nur verputzen und in einem Kolpingwerk-Orange streichen ließen. Dem Sockelgeschoss wiesen sie eine graue Putzoberfläche und eine Fassadenbegrünung zu. Auf diese Weise erhielt die Fassade eine klare, horizontale Gliederung und zugleich spannende Kontraste zwischen mattem und glänzendem Material, Signalfarbe und Nichtfarbe, horizontalen Fensterbändern und vertikalem Aufzugsschacht. Gröger sagt: „Wir hatten Glück, dass wir uns mit dem Bauherrn nicht nur ökologisch, sondern auch gestalterisch einig waren. Denn sobald man Faschen, Klinker oder andere Funktionalitäten einbringt, kostet das mehr Geld.“

Weitere energetische Maßnahmen

Aber nicht nur bezüglich der Gestaltung, sondern auch hinsichtlich der Energieeffizienz zeigt sich der Bauherr ambitioniert: Er lässt PV- und Solarthermie-Module auf dem Dach montieren, das Regenwasser in zwei Zisternen sammeln und für die Toilettenspülung nutzen und das Haus mit Holzpellets beheizen. Er investiert im Innern in hochwertige Oberflächen, wie Böden aus Linoleum und Holzparkett, übergroße Badspiegel, gut gestaltete Fliesenspiegel und energiesparende Armaturen.

Trotzdem überzeugt die Sanierungsbilanz nicht nur ökologisch und gestalterisch, sondern zugleich finanziell: Mit Baukosten von rund fünf Millionen Euro (ca. 2.000 Euro/m²) war diese Sanierung deutlich günstiger, als ein Abriss und Beton-Neubau in gleicher Größe üblicherweise gekostet hätten. Was am Ende bleibt, ist also mehr, als vorher war: Das Jugendwohnhaus bleibt ein in seiner Bauzeit und Funktion verwurzeltes Gebäude, aber mit mehr Gestaltung, mehr Platz, mehr Qualität und mehr Nachhaltigkeit bei Fläche, Energie, CO2, Wasser und Geld.

Kolpingwerk I Jugendwohnhaus I Vorderansicht I Der Dämmstoff I Foto kern-fotografie.de

Nach fast 70 Jahren ist das Jugendwohnhaus des Kolpingwerkes endlich energetisch kernsaniert. Die alten Proportionen blieben: der Sockel mit großem Glaseingang und die vier Obergeschosse mit 40 gleichmäßig gesetzten Fenstern.

Kolpingwerk I Jugendwohnhaus I Fassade I WDVS I Mineralwolle I Der Dämmstoff I Foto kern-fotografie.de

Die Fassade besteht aus einem verklinkerten WDVS aus Mineralwolle. Die Rahmung der Fenster ist jetzt der Hingucker, war im Detail aber kniffelig.

Kolpingwerk I Jugendwohnhaus I Gemeinschaftsküche I Der Dämmstoff I Foto kern-fotografie.de

Jedes Geschoss bildet eine Wohngemeinschaft mit einer gemeinsamen Küche.

Kolpingwerk I Jugendwohnhaus I Zimmer I Der Dämmstoff I Foto kern-fotografie.de

Die Einzel- und Doppelzimmer sind funktional möbliert. Die Oberflächen mit Linoleum, …

Kolpingwerk I Jugendwohnhaus I Bad I Der Dämmstoff I Foto kern-fotografie.de

…rahmenlosen Spiegeln und unterschiedlichen Fliesen sind sorgsam gewählt.

Kolpingwerk I Jugendwohnhaus I Erdgeschoss I Der Dämmstoff I Zeichnung Pannhausen + Lindener Architekten

Gemeinschafts- und Büroräume sowie ein kleiner Gartenhof im Erdgeschoss

Kolpingwerk I Jugendwohnhaus I Regelgeschoss I Der Dämmstoff I Zeichnung Pannhausen + Lindener Architekten

Das Regelgeschoss mit Einzel- und Doppelzimmern und einer Gemeinschaftsküche. Das großzügige, alte Treppenhaus blieb erhalten.

Kolpingwerk I Jugendwohnhaus I Fassadendetail I Der Dämmstoff I Zeichnung Pannhausen + Lindener Architekten

Die Fenster sind in die Dämmebene gerückt, was die Proportionen in der Ansicht verbessert. Aufgeklebte Lisenen aus Porenbeton rahmen die Fenster zu einem Band.

Alle Fotos: kern-fotografie.de
Alle Zeichnungen: Pannhausen + Lindener Architekten

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