Dass die energetische Sanierung auch in der Masse gestalterisch hochwertig und sozial verträglich gelingen kann, zeigen grabow klause architekten in München-Moosach. Dort sanierten sie ein ganzes Ensemble von mehreren Großbauten mit einem Wärmedämmverbundsystem mit Mineralwolle. Mit dieser Systemlösung und mit gut durchdachten Details gelang ihnen trotz eines engen Baubudgets eine beispielgebende gestalterische Vielfalt.
Wenn in München ein Wohngebäude saniert wird, wird häufig befürchtet, dass die ohnehin hohen Mieten nochmals deutlich steigen. Die Mieterinnen und Mieter fürchten dann den Verlust der Wohnung, und die Nachbarn die Gentrifizierung des Wohnviertels. Das muss nicht sein: Als die Stadtsparkasse München eine energetische Sanierung sowie die Nachverdichtung von mehreren fünfgeschossigen Zeilenwohnhäusern in München-Moosach beauftragte, sollte diese Sanierung sozial verträglich stattfinden. Und tatsächlich: Die Mieter wohnten temporär in Ersatzwohnungen und zogen nur wenig später in ihr saniertes Zuhause zurück. Wie aber gelang der Stadtsparkasse München die großflächige und sozial verträgliche Sanierung?
Die Stadtsparkasse München beauftragte für die Sanierung aller Gebäude grabow klause architekten aus München, und diese organisierten die große Bauaufgabe in Etappen. Ihr erstes Projekt, Wohnblock L, besteht aus sieben Häusern mit je einem zentralen Eingang und Treppenhaus. Die Architekten starteten mit der Sanierung Haus für Haus, insgesamt in sieben Abschnitten und über eine Dauer von fünf Jahren. Das hatte einen großen Vorteil: So konnten die Bewohnerinnen und Bewohner während der Sanierung ihrer Mietwohnung in eine bereits fertig sanierte Wohnung des angrenzenden Hauses umziehen und auf Wunsch später wieder in die eigene, sanierte Wohnung zurückkehren.
Damit trotz dieser langen Bauzeit immer die gleichen Handwerksunternehmen im Projekt zusammenarbeiteten und der Bauprozess auf diese Weise möglichst reibungslos ablief, beauftragte man die Gewerke mit einer Preisgleitklausel, die den Gewerken eine Preisanpassung über die lange Vertragszeit ermöglichte. Die Sanierung in Etappen braucht also mehr Zeit und besondere Regelungen; sie ist aber in einem derart angespannten Wohnungsmarkt wie dem in München die einzige Vorgehensweise, die eine Verdrängung der alten Hausgemeinschaften verhindert.
Wo Wohnraum begehrt ist, kann man entweder Mieten erhöhen oder mehr Wohnraum schaffen. Letzteres ist in einer schon dicht bebauten Großstadt nicht leicht, weil auch Grün- und Freiflächen die Lebensqualität und Identität in einem Stadtteil prägen. In Moosach gilt das ganz besonders: Die Bestandsbauten aus den 1950er Jahren sind hier Teil eines dicht durchgrünten, ruhigen Wohnviertels, dessen Atmosphäre, Identität und räumliche Qualität erhalten bleiben sollte.
Die Architekten konnten das Ensemble mit zwei neuen Gebäudekomplexen nachverdichten. Ein besonderer Vorteil waren die ungenutzten, flachen Dachböden der Bestandsbauten, wie die Architekten berichten: „In Abstimmung mit der Baugenehmigungsbehörde haben wir die Häuser lediglich um 60 cm erhöht, um ein ganzes, neues Wohngeschoss zu erhalten.“ Mit dieser Aufstockung fällt das neu geschaffene sechste Geschoss baulich kaum aus der Nachbarschaft heraus. Die modernen Proportionen von Freiraum zu Gebäude, von Höhe zu Abstand, bleiben weitestgehend erhalten.
Die Modernisierung der Gebäude war eine Kernsanierung: Die Architekten ergänzten die Treppenhäuser um Außenaufzüge, sanierten im Innern sämtliche Installationen und Oberflächen und vergrößerten teilweise die Bäder und Balkone. Aber die Grundrisse der 1950er Jahre sind oft sehr funktional und blieben daher auch hier fast unverändert. Die Bestandsgrundrisse hatten zudem eine besondere, heute sehr gefragte Qualität, wie die Architekten erklären: „Die Wohnungen waren recht unterschiedlich geschnitten, so dass Nutzer mit verschiedenen Ansprüchen Platz finden.“
Gar nicht zeitgemäß dagegen war die ineffiziente Gebäudehülle. Die Ziegelwände trugen eine unzureichende, da nur 10 cm dicke Mineralwolldämmung und veraltete Fenster, die die Architekten gegen zeitgemäße Fenster in meist gleicher Größe und Position tauschten. Diese rückten sie auf die Außenkante des alten, noch intakten Wandaufbaus. Den bestehenden Wandaufbau samt alter Dämmung erhielten sie und doppelten ihn mit einem 12 cm starken Wärmedämmverbundsystem aus Mineralwolle auf. Die Architekten sagen: „So entstand zusammen mit dem Einsatz einer Grundwasser-Wärmepumpe für Heizung und Warmwasserversorgung ein energetisch zeitgemäßer Wohnungsbau.“
Der Vorteil der Aufdopplung und des Nutzens vorhandener Ressourcen liegt auf der Hand: Es entstehen weder Müll noch Kosten durch einen möglichen Abbruch der alten Fassade. Zudem erreicht das Gebäude einen höheren Dämmstandard bei gleichzeitig nur geringem Volumenzuwachs. Sprich, der Wandaufbau wird kaum sichtbar stärker und die Proportionen von Fenster und Fassade bleiben harmonisch. Auch der Vorteil der Mineralwolle ist klar: Ihre flexible Beschaffenheit passt sich dem alten Untergrund an und ermöglicht so einen luftdichten, energieeffizienten Kontakt zwischen Altputz und neuer Dämmung. Die Architekten sagen: „Wir verwenden aus ökologischen und brandschutztechnischen Gründen für die Fassadendämmung generell nur noch Mineralwolle und natürliche Dämmstoffe.“
Das Große kostengünstig zu sanieren, bedeutet nicht den Verzicht auf gute Gestaltung. Im Gegenteil: Dass den Architekten die Kernsanierung in diesem Maßstab harmonisch gelang, liegt an den sorgfältigen Details und einer guten Fassadengestaltung. Zwar tragen alle Gebäude, die sanierten, großen Bestandsbauten (Haus L, K und M) wie auch die zwei Neubauten, ein weißverputztes WDVS aus Mineralwolle. Mit Farbflächen und Balkongeländern aus anthrazitfarbenem Stahl sowie gleichfarbigen Fensterprofilen betonten die Architekten die Einheit der Bestands- und Neubauten als Ensemble.
So ähnlich die Gebäude in der Typologie und Materialität aber sind, in der Organisation von Fläche und Fassade ist jedes der Gebäude unterschiedlich, jedes hat unterschiedliche Merkmale. Statt daher die Masse großflächig zu vereinheitlichen, zeigten die Architekten in Details und Farbe genau diese Unterschiede: die unterschiedlichen Gebäudeaufteilungen, die verschiedenen Fassadenordnungen, die seriellen Merkmale, die jedes Gebäude anders gliedern.
So leuchten zum Beispiel die Innenseiten der langen Loggien bei Haus M korallenrot, wie auch die Fensterfaschen des gleichen Gebäudes. Die vormals kleinteilig gegliederten Fassaden wurden so zu einer größeren Einheit zusammenfügt. Bei Haus L verkleideten die Architekten die neuen Balkone mit einer Putzträgerplatte, die oberflächenbündig an die Fassade anschließt. Dank der Farbgebung bilden diese Balkone jetzt eine Abfolge aus zitronengelben Flächen, die die versetzte Gebäudegliederung und die serielle, abgetreppte Organisation des Gebäudes betonen. Auf diese Weise werden bei allen Häusern die für die Bauzeit typischen Merkmale zur Gestaltungsgrundlage für die Sanierung. Darüber hinaus übertrugen die Architekten diese Merkmale auch auf die neuen Wohngebäude: die gleichmäßig gereihte Wiederholung der einzelnen Gebäudeabschnitte und Erschließungseinheiten, der Loggien, Balkone und Eingänge.
Unabhängig von der architektonischen und baukulturellen Einordnung der Projekte wirkt die Gestaltung auch sozial, in den Stadtteil und aus ihm heraus: Die Gebäude bilden in ihrem großen Maßstab und als Ensemble eine wiedererkennbare Adresse und eine verbindende Nachbarschaft. Trotzdem aber wohnt jeder in „seinem“ Gebäude mit dessen eigenen, individuellen Merkmalen außen und nun auch mit viel Wohnkomfort im Innern.
Alle Fotos und Zeichnung: grabow klause architekten