Mit dem Dreigiebelhaus in Anklam zeigen Tchoban Voss Architekten eine beispielgebende Architektur für die Wiederbelebung der europäischen Stadt. Sie stärken mit Dichte, Vielfalt und ortstypischer Materialität das kleinstädtische Flair, setzen auf großzügige Innenräume für zeitgemäße Nutzungen und schaffen eine ausgewogene Balance zwischen Energieeffizienz und Raumerlebnis. Und sie wählen für die Dämmung Mineralwolle, in vielen Varianten.
Anklam liegt vor Usedom, wäre selbst aber auch ein gutes Ferienziel. Denn die Stadt baut sich eine Zukunft, die wieder mehr Bürger und Besucher anlocken und Jahrzehnte alte Wunden heilen soll. Im zweiten Weltkrieg wurde die bis dahin wachsende Hansestadt in ihrem Zentrum mehrfach von Bomben und Granaten getroffen. Rund 80 Prozent von Anklam verschwanden in Trümmern. Die Zerstörung verstetigte sich weiter mit dem DDR-Wiederaufbau in WBS70-Plattenbauweise. Seither kämpfte Anklam mit sinkenden Einwohnerzahlen, einer verödenden Innenstadt und fehlenden Arbeitsplätzen. Das aber soll anders werden.
2013 kam der Wandel. Damals überzeugte ein Masterplan der Berliner Architekten Tchoban Voss in einem städtebaulichen Wettbewerb. Der Masterplan bildet seitdem die Grundlage für den verspäteten Wiederaufbau der Anklamer Innenstadt. Sein Gestaltungsschwerpunkt sind kleinteilige Baufelder, die sich eng entlang der Straßen in Blockrändern reihen. Die schmalen Grundstücke wurden und werden einzeln von unterschiedlichen Architekten beplant. So soll Anklam bald eine dichte, vielfältige und mischgenutzte Kernstadt mit vielen Läden in den Erdgeschossen, mit Wohnungen und Büros darüber und mit einem baulich klar gefassten Marktplatz erhalten. Auf diese Weise soll die Stadt wieder an das geschäftige und lebendige Treiben der alten Hanse anknüpfen – eine atmosphärische, aber nicht bauliche Rekonstruktion des Zerstörten.
Wie das konkret gehen soll, erfasst man beim Blick auf eines der Grundstücke in der Steinstraße. Hier übernahmen Tchoban Voss selbst eine Parzelle zur Neubebauung. Mit dem „Dreigiebelhaus“, nur wenige Meter vom Markt entfernt, verbinden sie auf beispielhafte Weise zeitgenössische Anforderungen und alte, städtebauliche Prinzipien. Sie zeigen, wie sich der für Europa typische, dichte und vielfältige Stadtraum mit zeitgenössischen und zukünftigen Anforderungen in Einklang bringen lässt.
Da ist zum einen das Ausloten des richtigen Maßstabes: Einerseits möchten die Architekten den für Anklam typischen, kleinstädtischen Maßstab wiederherstellen. Andererseits benötigt ein wirtschaftlicher und zukunftsfähiger Neubau flexible, großzügige und barrierefreie Grundrisse, was zwangsläufig zu größeren Bauvolumen führt. Diesen Gegensatz lösten die Architekten über eine dreigeteilte Straßenfassade: Mit drei unterschiedlich schmalen und unterschiedlich hohen Giebelwänden erscheint das Gebäude jetzt wie drei einzelne, benachbarte Stadthäuser. Der mittlere Teil ist dabei leicht in den Straßenraum vorgerückt. Im Innern jedoch, nicht sichtbar von der Straßenseite, bleibt das Gebäude eine große Einheit mit einem gemeinsamen Aufzugs- und Treppenkern im Mittelteil und drei bis vier großen Wohnungen pro Etage.
Als Zweites setzte das Architekten-Team auf straßenseitige Giebel und die damit verbundene historische, horizontale Schichtung der Nutzung – beides Merkmale der alten Hansestädte. Denn die Straßenseite war in den eng bebauten Altstädten oft die einzig andienbare und nutzbare Seite eines Hauses. Stand ein Haus mit seinem Giebel zur Straße, konnte sein Besitzer es auch auf kleinen Grundstücken sehr hoch bauen und damit zugleich diese einzig zugängliche Fassadenfläche bestmöglich nutzen. Die geschmückte Giebelseite war Aushängeschild der wohlhabenden Bürger, hatte aber auch viele funktionale und statische Vorteile, wie die Stapelung von Nutzungen:
Im Erdgeschoss fanden sich Geschäftsflächen mit einem repräsentativen Schaufenster, mit Eingängen oder breiten Werkstatttüren. Ganz oben im Spitzdach ließen sich dagegen Waren trocken und sicher vor Diebstahl lagern. Nur die schmale Giebelseite ermöglichte es, Waren über eine Seilwinde bis in den Dachraum zu heben. In den Mittelgeschossen dazwischen wohnte das Bürgertum gut geschützt u. a. vor extremen Temperaturen und aufsteigender Feuchtigkeit. Die hohen Giebelhäuser kamen in Handelsstädten also oft vor, auch in Anklam gab es viele giebelständige Bauten. Deshalb krönten Tchoban Voss Architekten den dreigeteilten Neubau mit unterschiedlich hohen Spitzgiebeln. Die Giebel erzeugen nicht nur eine einprägsame Kubatur und Kleinteiligkeit, sondern erleichtern auch hier die Mischnutzung. Im Erdgeschoss entstanden zwei Ladenflächen mit vergrößerter Raumhöhe und breiten Schaufenstern. In den Geschossen darüber liegen insgesamt 15 Wohnungen, wobei der Dachraum selbst teilweise offenbleibt und so einen sehr hohen, atmosphärischen Innenraum ausbildet.
Neben Maßstab und Kubatur ist auch das Material des Gebäudes, der Ziegel, typisch für Norddeutschland: Denn Backstein ist sehr witterungsbeständig und lässt sich aus dem lehmig-sandigen Boden lokal herstellen. Die Architekten verklinkerten deshalb den Betonneubau mit Langziegeln. Dabei gaben sie jeder der drei Fassaden eine eigene Ziegelfarbe: aschgrau, braunrot und sandbeige. Dazu entwickelten sie zeitgenössische, dekorative Elemente, wie die Fensterfaschen mit leicht eingerückten Ziegeln. Ein Lochmuster im mittleren Fassadenteil verdeckt die Fenster des Treppenhauses, das sonst über eine gebäudehohe Innenbeleuchtung und den meist üblichen Geschossversprüngen im Straßenraum deutlich erkennbar wäre, nun aber unauffällig hinter dem halbtransparenten Ziegelvorhang verschwindet. Alle diese Elemente variieren die Architekten in ihrer Breite und bringen so mit nur einem Material Vielfalt auf die Fassade.
Wie auch bei vielen anderen ihrer Projekte setzten die Architekten Tchoban Voss beim Dreigiebelhaus auf eine Dämmung aus Mineralwolle. Sie kommt dabei in verschiedensten Einbauformen zum Einsatz. Die Straßenfassade zum Beispiel hat eine Kerndämmung aus 14 cm starker Mineralwolle zwischen den schlanken, tragenden Betonwänden und dem vorgesetzten Ziegelklinker. Die Hoffassade hat dagegen in den Obergeschossen ein verputztes WDVS, im Erdgeschoss aber ebenfalls eine Kerndämmung aus Mineralwolle hinter Klinker. Auch beim Dach reagierten die Architekten mit verschiedenen Dämmaufbauten auf den komplexen Dachzuschnitt. Grundsätzlich dämmten sie das Dach zwischen den Sparren mit 24 cm starken Mineralwollematten, ergänzten dazu eine Untersparrendämmung mit 4 cm Mineralwolle und sicherten so eine sehr hohe Energieeffizienz und den Brandschutz im Holzgefach.
Aber was man straßenseitig nicht erkennt, sind die kleinen Steildächer, die quer zu den großen Spitzdächern stehen und die drei Dachräume miteinander verbinden. Dabei entstehen komplexe Details, wie zum Beispiel flächige, horizontale Traufbereiche, die die Architekten mit unterschiedlich hohen, dem Gefälle angepassten Zwischensparrendämmungen aus Mineralwolle und einer dünnen Aufsparrendämmung ausfüllten. Für solche verschnittenen, mitunter kleinen und schwer zugänglichen Konstruktionsbereiche eignet sich Mineralwolle hervorragend. Aufgrund der flexiblen Oberflächenbeschaffenheit und der Eigenschaft zu verfilzen, lässt sie sich individuell und in kleinen Stücken passgenau in kleinste Hohlräume einbringen.
Eine weitere Besonderheit ist der nur teilweise Ausbau des Dachraumes. Der Dachraum bleibt hofseitig mit sichtbaren Kehlbalken frei – hier betragen die Wohnraumhöhen zwischen sechs und über sieben Metern. Auf der Straßenseite dagegen enden die Räume unterhalb der Kehlbalken und haben eine niedrige Geschosshöhe von 2,25 m; der Dachraum selbst bleibt straßenseitig für mehr Energieeffizienz unbeheizt. Es gibt also mitten im Dachgeschoss einen Versprung der Dämmebene: von der Dämmung der obersten Geschossdecke bis zur Dämmung der Zwischensparren mehrere Meter darüber. Das hat Folgen für die Details durchlaufender Bauteile, wie zum Beispiel die Giebelwand: Diese benötigt beim Übergang vom beheizten zum unbeheizten Dachraum eine zusätzliche innenseitige Dämmung aus Mineralwolle. Auch die Stützen des Dachtragwerks sind mittels Isokorb thermisch von den Kehlbalken entkoppelt. Die vielen unterschiedlichen Dämmdetails sind sehr komplex, aber notwendig, um alle Wand- und Dachaufbauten energetisch und für den Brandschutz, sowie hinsichtlich einer filigranen Fassadengestaltung zu optimieren.
Das Dreigiebelhaus entstand aus der Abwägung vieler Dinge: zwischen historischer und zeitgenössischer Architektur, zwischen Kleinmaßstäblichkeit und Wirtschaftlichkeit, zwischen gestalterischer Einheit und Vielfalt, zwischen Energieeffizienz und Raumerlebnis, zwischen stadträumlicher Offenheit und einer vor Hitze und Einblicken schützenden Privatheit. All das gelingt den Architekten von Tchoban Voss beispielhaft. Mit dem Dreigiebelhaus gaben sie Anklam eine zukunftsfähige und identitätsstiftende Architektur.
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Im Regelschoss erkennt man die Dreiteilung des Gebäudes kaum. Zeichnung: Tchoban Voss