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Sinn für die Sechziger

Eine Sanierung muss nicht den Zeitgeist eines Hauses zerstören. Das beweist der Architekt Jonas Puschmann. In Recklinghausen sanierte er ein Einfamilienhaus von 1968, bei dem nun dank einer behutsam geplanten Fassade aus Mineralwolle der Zeitgeist von einst wieder auflebt. Puschmann gelingt eine feinsinnige Alltagsarchitektur – ein Vorbild für die vielen sanierungsbedürftigen Wohnhäuser der deutschen Wirtschaftswunderjahre.

Es ist ein Wohnhaus, wie es in Deutschland zwischen 1950 und 1970 millionenfach gebaut wurde: aus verputztem Mauerwerk, mit zwei Geschossen und Satteldach, ein Eingang mit Vortreppe und Vordach, Haupt- und Vorgarten und einer Garage fürs Familienauto. So lebte damals die noch junge Mittelschicht, als Wirtschaftswunder, Festanstellung und Bausparen ihr ein vorstädtisches Wohnen im Grünen ermöglichte.

Die Wohnhäuser von einst sind heute oft marode Alltagsarchitektur, die im Einzelnen nicht denkmalgeschützt sind, im Typus aber Zeitgeschichte erzählen. Das erkannte auch ein Ehepaar aus Recklinghausen, als es sich in ein marodes Häuschen mit schmutzig-grüner Putzfassade verguckte. Es beauftragte den Architekten Jonas Puschmann mit der behutsamen Sanierung. Dieser sagt: „Ich hatte Glück, dass die Bauherren Geschmack und einen Sinn für den Zeitgeist des alten Hauses hatten.“

Behutsam kernsanieren

So bedacht der Architekt die Gestaltung plante, so umfassend war die Sanierung selbst, wie er sagt: „Bis auf das Mauerwerk die Innentreppe und den Dachstuhl mit Deckung haben wir das Gebäude komplett entkernt.“ Für mehr Licht und Funktionalität mussten im Innern Wände weichen und Durchbrüche vergrößert werden. Für mehr Wärmeschutz brauchte die ganze Gebäudehülle, also Fassade, Dach und Keller, eine neue Dämmung. Trotz dieser Komplettsanierung sollten aber die alten, zeittypischen Proportionen von Fenster und Fassade, der alte Charme des Hauses, bestehen bleiben.

Fenster machen Fassade

Im Innern veränderte Puschmann den Grundriss nur marginal. Er ersetzte Zwischenwände und Zimmertüren im Erdgeschoss durch Glastrennwände und -türen. Das Treppenhausfenster war zeittypisch in Glasbausteinen gebaut. Dieses ließ der Architekt durch ein zeitgemäßes, ebenso großes Lärchenholzfenster mit Dreifachverglasung tauschen. So verbesserte er mit Rücksicht auf die alten Proportionen den Wärmeschutz sowie die Belichtung und die Blickbeziehungen. Er sagt: „Wir haben alle Fenster ersetzt, aber dabei fast immer die alten Proportionen beibehalten.“ Nur das Terrassen- und Balkonfenster sind nun bodentief, springen aber wie im Original zurück, um davor Platz für überdachte Sitzbereiche zu schaffen.

Dämmung der Fassade mit WDVS aus Mineralwolle

Die Fassade wurde mit einem 16 cm starken Wärmedämmverbundsystem (WDVS) aus Mineralwolle (WLG 040) gedämmt. Die Herausforderung lag hier schon in den Vorbereitungen der Dämmarbeiten. Die Handwerker mussten zunächst Mauervorsprünge, Fallrohre, den alten Balkon und die Kelleraußentreppe abbrechen und Hohlräume wie Rollladenkästen entfernen oder ausdämmen. Auch im Dachbereich verschoben sich wegen des nun stärkeren Wandaufbaus die Traufkante und Anschlüsse an die Dachkonstruktion.

Es sind die sorgsam geplanten Details, die den Charakter des Hauses bewahren, wie Puschmann sagt: „Wir haben zum Beispiel die neuen Fenster außen bündig auf die Mauerwerkswände gesetzt, so dass Wand und Fenster sich harmonisch zusammenfügen und kein Schießscharten-Effekt entsteht.“ Das zeittypische Vordach und die hervortretenden Faschen des Treppenhausfensters erhielt der Architekt ebenfalls. Statt sie abzureißen, dämmte er sie mit Mineralwolle in unterschiedlichen Stärken, so dass die prägenden Bauteile, aber auch die typischen Proportionen der Bauteile zum Gebäude erhalten blieben. Er konnte so die energetisch kritischen Anschlüsse der Bauteile wärmebrückenfrei gestalten, ohne die Fassade zu glätten und ihrer Stilelemente zu berauben. Den abgebrochenen Balkon ersetzte er durch einen neuen Holzbalkon.

Dämmung der obersten Geschossdecke mit Mineralwolle

Die Dämmung von Dach und Keller war eine Abwägung von Kosten und Nutzen. Die Fläche von Erdgeschoss und Obergeschoss reichten dem Bauehepaar zum Wohnen. Der Keller konnte also einfach unbeheizt bleiben. Eine Kellerdeckendämmung aus Mineralwolle war deshalb die einfachste, kostengünstigste und effizienteste Dämmlösung. Auch das unbeheizte und nicht ausgebaute Dach wurde nicht als Wohnraum benötigt. Deshalb entschieden sich die Beteiligten für eine Dämmung der obersten Geschossdecke mit lose verlegten, 20 cm starken Dämmmatten aus Mineralwolle, auf denen sie mittig einen Steg aus Holzplatten legten, um ab und an das Giebelfenster öffnen zu können.

Kompliziert: das offene Treppenhaus

Weil die alte filigrane, offen gestaltete Treppe bis ins Dachgeschoss reichte, musste der Architekt deren Anschluss an den unbeheizten Dachraum überlegen. Gestalterisch gab es nur eine Lösung, wie er erzählt: „Wir hätten mit dem Abbruch der Innentreppe im oberen Bereich das großzügige, originale Raumerlebnis im Treppenhaus zerstört. Deshalb haben wir die Treppe bis ins Dachgeschoss erhalten.“ Energetisch brauchte es dafür einen abgetrennten und gedämmten Treppenraum im sonst unbeheizten Dachgeschoss. Dabei mussten die Anschlüsse des Treppenraumes und der trennenden Bauteile im Dachgeschoss hinsichtlich Wärme- und Feuchteschutz besonders sorgfältig geplant und gedämmt werden.

Spagat zwischen den Jahrzehnten geglückt

Insgesamt gelang dem Architekten und seinen Bauherren mit dem Umbau der Spagat zwischen den Wohnansprüchen von heute und dem kleinbürgerlichen Charakter von 1968. Während er also innen Platz und Licht schuf, mit weißen Oberflächen, weiten Raumperspektiven, Glastüren und zeitgemäßem, griff- und schnörkellosen Küchendesign, setzt er außen auf Proportionen und Farben, die an die 1960er Jahre erinnern: in hellblauem Putz mit orange gefärbter Balkonnische und braunen, filigranen Holzfenstern.

Ein Retro-Wohnglück im Grünen zu einem relativ geringen Budget, dank KfW-Förderung und teilweise Selbstausbau des Baupaares. Ein Haus, das sich so selbstverständlich harmonisch in die alte Siedlung einfügt, dass man die Sanierung erst auf den zweiten Blick sieht. Das ist das eigentliche Kunststück.


 

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Einfamilienhaus Recklinghausen I energetische Sanierung I Der Dämmstoff I Foto Puschmann Architektur

Die energetische Sanierung mit Mineralwolle gelang hier auch mit einem engeren Budget, dank KfW-Förderung und teilweise Selbstausbau, vor allem aber dank kluger Planungsentscheidungen.

Einfamilienhaus Recklinghausen I Altbau I Fassade I Der Dämmstoff I Foto Puschmann Architektur

Kaum zu glauben, aber in diesen Altbau aus Mauerwerk und ergrautem Putz hat sich ein Ehepaar verliebt. Gut so, denn nach einer behutsamen Sanierung entstand daraus eine zauberhafte Retro-Idylle mit zeitgemäßem Wohnkomfort.

Einfamilienhaus Recklinghausen I Treppenhaus I Der Dämmstoff I Foto Puschmann Architektur

Das Treppenhaus blieb, auch wenn es bei der Planung viel Kopfzerbrechen bedeutete. Mit neuen Fenstern in alter Größe bringt es jetzt Licht und Großzügigkeit ins Haus.

Einfamilienhaus Recklinghausen I Wärmedämmverbundsystem I Mineralwolle I Der Dämmstoff I Foto Puschmann Architektur

Neue Hülle aus Mineralwolle-WDVS, alter Charme: Der Architekt legte viel Wert auf Proportionen, originale Stilelemente und eine passende Farbigkeit und erhält so den Charakter dieses Einfamilienhauses von 1968.

Einfamilienhaus Recklinghausen I Erdgeschoss I Der Dämmstoff I Foto Puschmann Architektur

Im Grundriss kaum verändert: Schon damals ermöglichten Schiebetüren flexible Raumgrößen. Der Architekt ergänzte im Innern Glasflächen für noch mehr Licht und Weite.

Einfamilienhaus Recklinghausen I Schnitt I Der Dämmstoff I Foto Puschmann Architektur

Dämmen, was sinnvoll ist: Decke und Keller bleiben ungenutzt und unbeheizt. So dämmen Mineralwollematten jetzt die oberste Geschossdecke und die Kellerdecke. Das ist besonders schnell, einfach und günstig umgesetzt, bei sehr hohem Energieeinsparpotenzial.

Alle Fotos und Pläne: Puschmann Architektur, Recklinghausen

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