Das Architekturbüro JSWD verwandelte ein ehemaliges Versicherungsbürohaus in ein elegant proportioniertes Wohngebäude und zeigt damit prototypisch, dass sich die Umnutzung von Büros zu Wohnraum für alle Beteiligten lohnen kann. Für diese Idee und für ihre markante Fassadengestaltung wurde das Projekt u. a. für den DAM-Preis 2020 nominiert.
Frankfurt am Main wächst und wächst. Daher baut man hier schon seit Langem in die Höhe. So entstanden zahlreiche Bürohäuser, von denen seit der Finanzkrise einige ganz oder teilweise leer stehen. Doch Investoren zögern oft bei einer Umnutzung dieser Flächen zu Wohnraum. Dabei wird dieser dringend gebraucht. Nun realisierte das Architekturbüro JSWD (Köln/Berlin) im Auftrag des Vermögensmanagers MEAG ein beispielgebendes Umnutzungsprojekt für verschiedene Nutzergruppen und mit Mischnutzung in bester Lage in Frankfurt-Sachsenhausen. Dass die Vielfalt in der urbanen Dichte funktioniert, liegt an einer guten Planung von Grundriss, Schall- und Brandschutz. Unter anderem kommt Mineralwolle in verschiedenen Dämmvarianten zum Einsatz.
Das ehemalige Versicherungsgebäude wurde 1981 gebaut, als Investoren in Frankfurt lieber Büros neu bauten, als Wohnraum in historischem Bestand zu sanieren und als sich die Bürger im Häuserkampf dagegen wehrten. So entstand auch dieser blockhafte Stahlbetonbau inmitten des gründerzeitlichen, aber im Krieg stark zerstörten Viertels. Nur wenige Jahrzehnte später blieben die in bester innerstädtischer Lage nur 300 Meter vom Mainufer entfernt liegenden, relativ niedrigen und technisch veralteten Geschosse des Bürokomplexes ungenutzt.
Die Aufgabe der Organisation sinnvoller Wohngrundrisse auf den ehemals verwinkelten Büroflächen war anspruchsvoll. Denn das Gebäude komplettiert die Ecke eines Blockrandes, so dass die nordöstliche Hofseite des Gebäudes kürzer und dunkler ist, dafür aber einen schönen Blick auf die EZB hat. Die südwestliche Straßenseite ist hingegen zwar hell und großflächig, mit Blick auf die Skyline. Aber dort lärmen auf vier Spuren Autos, Busse und Laster. Lage und Bauweise des Bestandes waren also ungünstig für eine Wohnnutzung, wie Mario Pirwitz, projektverantwortlicher Associate Partner von JSWD, erklärt: „Die Geschosse sind relativ tief. Zugleich mussten wir bestehende Stützen und Treppenhäuser bei der Grundrissplanung berücksichtigen.“
Dazu kamen relativ lange Fluchtwege, fehlende Außenbereiche und Geschosse, die eine wirtschaftliche Umnutzung erschwerten. Die Idee der Architekten war daher, die bestehende Kubatur der drei ineinandergesteckten Baukörper mit ihrer horizontalen Bandfassade stärker hervorzuheben und dabei neue Geschosse, Dachterrassen und Loggien sowie größere Glasflächen zur Belichtung auszubilden.
Für die Umnutzung des Betongebäudes wurde das Gebäude nach den Plänen von JSWD zunächst aufwendig entkernt. Zu entfernen war die Bestandsfassade aus verspiegeltem Glas und Beton, die oberen beiden Technikgeschosse und sämtliche Einbauten. Zudem schnitten sie die Deckkanten zurück, um die Kubatur für die neue Nutzung zu optimieren. Übrig blieb nur noch das Stahlbetonskelett mit einigen vorgehängten Betonplatten.
Dann wurden die Bestandsflächen saniert und Deckenbauteile ergänzt, die mit einer Einlegbewehrung an den Bestand betoniert wurden. Pirwitz sagt: „Am aufwendigsten war der Austausch, also der komplette Abriss und Neubau der Bodenplatte und der zweigeschossigen Tiefgarage unter dem Hochhausbestand.“ In die Geschossplatten wurde eine große Öffnung gefräst, um später die Feuerwehraufzüge und einen dritten Treppenaufgang integrieren zu können.
Der gesamte Umbau im Bestand war extrem komplex. Trotz umfangreicher und stichprobenartiger Untersuchung der alten Betonstruktur überraschte diese immer wieder mit Ausnahmen. Deshalb mussten die Architekten im laufenden Baustellenbetrieb mehrfach umplanen, Statiker neu rechnen, die Handwerker flexibel sein. Doch Pirwitz sagt: „Der Umbau wurde nachvollziehbar teurer, aber es hat sich für alle gelohnt. Mit der Umnutzung der Obergeschosse zu Wohnzwecken konnte das Gebäudevolumen sogar leicht vergrößert werden.“
Dass es sich lohnt, auch für die Aufwertung der Nachbarschaft, hat unter anderem mit der Nutzungsmischung zu tun. So befinden sich im Erdgeschoss Einzelhandels- und Gastronomieflächen, u. a. ein Bio-Vollsortimenter, und in den Obergeschossen Wohnungen und Apartments unterschiedlicher Größe. Das Gebäude wird entsprechend der dreiteiligen Kubatur über drei Eingänge und Kerne erschlossen. So organisierten die Architekten die 86 Wohnungen in kleine, überschaubare Flurnachbarschaften.
In den unteren, lauteren Geschossen liegen Ein-Zimmer-Wohnungen ab ca. 24 m² und mit kleinen Loggien für Studenten und Wochenendpendelnde. In den oberen Geschossen, mit etwas mehr Abstand zur Straße und teilweise leicht zurückgestaffelt, liegen großzügigere Familienwohnungen mit bis zu vier Zimmern und 160 m² sowie mit langen Terrassen. Die zwei obersten Ebenen errichteten die Architekten neu und planten zwei großzügige Penthouse-Maisonette-Wohnungen mit großen Dachterrassen und Blick auf die Skyline. So entstehen in einem Haus dicht an dicht sehr unterschiedlich genutzte, attraktive Mietflächen, von denen auch der Stadtteil profitiert.
Damit die Mischnutzung in der Dichte und in dieser Lage funktioniert, sind zwei bauliche Aspekte essentiell: Das ist einmal die Fassade, mit der sich das Gebäude einerseits in die Nachbarschaft integrieren und die sich zugunsten gut belichteter Wohnungen zum Stadtraum hin öffnen muss, die andererseits aber den Wohnraum vor dem Stadtlärm abschotten und ebenso Privatheit garantieren muss. Der zweite Aspekt sind die inneren Bauteile, die den notwendigen Schall- und Brandschutz in der Wohndichte sichern. Bei beiden Bauteilen, sowohl in der Fassade als auch bei den Wohnungstrennwänden, kommt Mineralwolle zum Einsatz.
Die Bandfassade gestalteten die Architekten als monochromes Streifenmuster mit weiß verputzten Brüstungen und mit dunklen Bändern aus Aluminiumkassetten mit integrierten Fensterflächen und einspringenden Loggien. Beide Bänder sind in unterschiedlichen Verfahren mit Mineralwolle gedämmt. Die neu errichteten Betonfassadenteile tragen ein 14 – 18 cm starkes Wärmedämmverbundsystem aus Mineralwolle und darüber eine 2 cm dicke weiße Putzschicht.
Um Ressourcen zu schonen, nutzten die Architekten aber auch Teile der Bestandsfassade aus hohlen Betonplatten. Per Einblasverfahren dämmten sie die alten Platten im Kern mit loser Mineralwolle und ergänzten außenseitig ein dünnes WDVS aus Mineralwolle und Putz. Die geschlossenen Bauteile wirken durch ihre Bauweise recht massiv und betonen die tragende Struktur der Deckenplatten. Die dunklen, dünneren und deshalb zurückspringenden Glas- und Metallflächen stehen in klarem Kontrast dazu. Sie suggerieren eine Einheitlichkeit innerhalb eines scheinbar transparenten Bandes. Dieses aber besteht aus zwei Elementen, und zwar einmal aus Flächen mit Dreifachverglasungen in Aluminiumrahmen (das sind die tatsächlich transparenten Fensterflächen) sowie den auf einer Trockenbaukonstruktion montierten Aluminium-Kassetten (gedämmt mit 12 cm Mineralwolle und hinterlüftet).
In einer nur scheinbar binären Fassade wechseln also nicht nur opake und transparente, stärkere und filigranere, helle und dunkle Flächen. Je nach Anforderung wechselt gleichzeitig auch das jeweils geeignete Dämmverfahren – immer mit Mineralwolle: mal als verputztes WDVS, mal als eingeblasene Kerndämmung, mal als Dämmschicht in einer hinterlüfteten, vorgehängten Fassade.
Der dritte Treppenkern war brandschutztechnisch notwendig und wurde vor Ort betoniert. So ist der Brandschutz leicht erfüllt. Brandschutztechnisch anspruchsvoll war der weitere Innenausbau, der, wie auch Teile der Fassade, in Trockenbauweise entstand. Pirwitz erklärt: „Das sparte Zeit bei der Umsetzung und vor allem Gewicht. Denn in einen Altbau lassen sich nur begrenzt zusätzliche Lasten einbringen.“
Zugleich gab es neben dem geringen Eigengewicht hinsichtlich des Brand- und Schallschutzes sowie des Einbruchschutzes hohe Anforderungen an die inneren Bauteile, die an die zentralen Flure grenzen, also den jeweiligen Fluchtweg im Brandfall. Deshalb errichteten die Architekten im Innern zwischen den Wohnungen und zum Flur hin Metallständerwände mit einer nichtbrennbaren Mineralwolle-Dämmung und einer Metalleinlage. Das erforderte besondere Sorgfalt bei der brandsicheren Ausführung der Bauteilanschlüsse, erzielt aber eine F90-Qualität, viel Sicherheit und einen hohen Wohnkomfort für die Bewohnenden bei gleichzeitig relativ schlanken und flächensparenden Wandkonstruktionen. Zusätzlich sichert ein Rauchkompressionssystem die Entrauchung der Wohnungen und Fluchtwege.
Nach mehrjähriger Umbauzeit erinnern nur noch die Kubatur und die achteckigen Stützen im Innern an den ursprünglichen Bürobau. Die Zebra-Fassade des heutigen Wohngebäudes betont die Stapelung der Geschosse, gibt dem Gebäude einen nachvollziehbaren Maßstab, gliedert ihn in die Geschossigkeit des Umfeldes ein und bringt viel Licht und nutzbaren Freiraum in die Kubatur. Das Projekt zeigt: Arbeiten und Wohnen in einem und flexible Umnutzungen von Gebäuden werden in dichter wachsenden Städten zukünftig unverzichtbar.