Mineralwolle | Glaswolle | Steinwolle | Wärmedämmung | Lärmschutz | Brandschutz | Dämmstoff | Dämmen | Energiesparen

Gemeinsam bauen in der Stadt

Mit einer Baugruppe plante IFUB* zwei Wohnhäuser auf einem schwierig geschnittenen Grundstück in Berlin-Neukölln. Das Planungsteam bewies dabei: Unterschiedliche Menschen auf engem Raum können dann gut miteinander wohnen, wenn die Architektur dazu undogmatisch, flexibel und nachhaltig bleibt. Ihre Hybridkonstruktion schafft auf kleinem Grund viel Wohnfläche. Und die Fassaden aus Holz, Klinker, Aluminium und Mineralwolle erfüllen die hohen Schall- und Brandschutzauflagen, die enge Stadträume mit sich bringen.

Je knapper und teurer der Baugrund, desto eher tun sich Menschen zusammen, um gemeinsam zu bauen. Doch nicht nur das gemeinsame Ziel, günstigen Wohnraum zu schaffen, sondern auch die Chemie zwischen den Bauwilligen muss stimmen. Das findet jedenfalls der Architekt Johannes Krohne: „Wie und mit wem man wohnt, das entwickelt sich oft aus einer Freundschaft heraus.“ Freundinnen und Freunde, viele mit Familien und um die 40 Jahre alt, luden ihn in eine Berliner Baugruppe ein. Gemeinsam fanden sie ein Garagengrundstück in Berlin-Neukölln, ungewöhnlich schmal und tief, aber „eines der letzten bebaubaren Grundstücke in der Gegend“, wie er feststellt.

Eine Hürde war der Preis: In der Lage haben sich die Bodenrichtwerte und damit die Grundstückspreise allein in der letzten Dekade bis 2023 verzehnfacht. „Für die Finanzierung mussten wir das Grundstück also maximal ausnutzen“, erzählt Krohne. Das bedeutete konkret: dicht bauen, mehr Wohnfläche schaffen und damit mehr Menschen in die Baugruppe holen. Mit fünfzehn, statt der anfänglich neun Beteiligten und mit einer selbst für Berlin hohen Geschossflächenzahl von knapp über 3 war das Projekt finanziell realisierbar. Dass es trotz der Dichte auch ungewöhnlich lebenswert wurde, lag an mehreren Aspekten:

1. Pragmatische, bedarfsgerechte Lösungen, statt Dogmatismus

So dicht und hoch zu bauen auf dem schmalen Grundstück, das war hinsichtlich Erschließung, Abstandsflächen, Belichtung und Brandschutz kompliziert. Dazu kam ein hoher ökologischer Anspruch der Gruppe und ihr Wunsch nach flexiblen Wohnungen. Die Planungsgruppe IFUB*, die Krohne gemeinsam mit einem Partner leitet, plante zwei Wohngebäude auf dem Areal: Ein Vorderhaus, das die kleine Baulücke im Blockrand schließt, und ein Hinterhaus, das sich an die lange Brandwand des Nachbargebäudes stellt. Die Architektinnen und Architekten von IFUB* bauten die Gebäude in einer Hybridbauweise, mit Geschossen und Treppenhäusern aus Beton, sowie zur Straße mit einer in Kalksandstein gemauerten Außenwand. Die Hinterhausfassade sowie die gartenseitige Außenwand des Vorderhauses entstanden in Holzbauweise.

Warum mischten sie die Bauweisen? Krohne sagt dazu: „Wir versuchen immer maximal ökologisch zu bauen und bevorzugen nachhaltige Materialien wie Holz.“ Die Anforderungen an Brand- und Schallschutz, an Ökologie, Ökonomie und Grundrissflexibilität waren hier jedoch sehr hoch und sehr unterschiedlich. „Es ist daher ein Spiel des Auslotens“, begründet Krohne. Es galt immer wieder abzuwägen, was wo sinnvoll, ökologisch und machbar ist. So ergab sich die Hybridbauweise und eine Architektur, die sich nicht in Stereotype einordnen lässt, sondern die sich bis ins Detail flexibel und situativ an die Bewohnerschaft und die Bauumgebung anpasst.

2. Wandlungsfähige Wohnräume

Das gilt vor allem für den Grundriss, wie Krohne weiß: „Die Lebenssituationen der Menschen können sich ändern. Flexibilität im Grundriss ist daher wichtig für den nachhaltigen Nutzen.“ Entsprechend lassen sich die Wohnungen im Vorderhaus nachträglich vergrößern oder verkleinern, zusammenschalten oder trennen. Zwei Balkone pro Einheit, zentrale Erschließungen und Bäder ermöglichen unterschiedliche, aber ähnlich gute Grundrissvarianten. Das Hinterhaus ist lang und schmal geschnitten, die Flexibilität im Grundriss ist so schwieriger. Trotzdem reihen sich auch hier verschiedene Wohnungstypen hinter- und übereinander. Die Häuser haben nun unterschiedlich große Lebensräume von 1,5-Zimmer-Apartments bis zur Maisonette-Wohnung mit sechs Zimmern. Sie geben Raum für sehr unterschiedliche Menschen in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen. Jeder findet darin seinen passenden Platz.

3. Soziale Räume

In der Dichte sind Rückzugs- und Begegnungsorte gleichermaßen wichtig. Die Planenden legen daher einen großen Fokus auf die Freiräume. So springt zum Beispiel das Gebäude in der Höhe geschossweise zurück. Das ist vor allem den gesetzlichen Abstandsflächen geschuldet, ermöglicht aber zugleich umlaufende Dachterrassen. So haben selbst die kleinen Wohnungen über ihre volle Breite einen kleinen Austritt, ein privater Freisitz im grünen Innenhof. Wer die Nähe anderer oder den Ausblick über die Stadt sucht, nutzt eine der gemeinschaftlichen Dachterrassen, die mit Gartenküche und Sitzbereichen viel Platz für gemeinsames Feiern bieten. Die Kinder können derweil im Hof spielen, denn dieser bleibt frei von Parkplätzen und Abstellbereichen. Mülltonnen und Fahrräder stehen stattdessen in den Erdgeschossen.

Play Video about Wohnhäuser Berlin | Vogelperspektive | IFUB | Der Dämmstoff | Foto Thomas Straub

4. In Beschränkungen einen Mehrwert sehen

Genau diese symbiotische Herangehensweise ist besonders bei diesem Projekt: Die Planenden geben den gesetzliche Beschränkungen für Brandschutz und Abstandsflächen einen sozialen oder architektonischen Mehrwert. Notwendig dafür ist eine ergebnisoffene Haltung beim Entwerfen, denn vieles entscheidet sich bei Baugruppen im Prozess. Die Anpassungsfähigkeit ist Grundvoraussetzung, für die Menschen in einer Baugruppe und für die Architektur und Planung selbst. Nicht immer einfach, wie Krohne findet: „Das Schwierigste war, dass wir im Prozess umplanen mussten, zum Beispiel wegen der Brandschutzauflagen beim Hinterhaus.“ Eigentlich plante das Team hier eine Holzverschalung, zumindest auf der langen Ost- und der kurzen Südseite.

Die Nordfassade mit der außenliegenden Fluchttreppe war mit einem Wärmedämmverbundsystem aus nichtbrennbarer Mineralwolle und glasierten Klinkerriemchen brandschutzsicher geplant. Im laufenden Bauprozess forderte die Feuerwehr, dass nicht nur die Nordfassade, sondern auch die anderen Fassaden rund ums Gebäude nichtbrennbare Verkleidungen aufweisen. Statt einer Holzfassade wählte das Team daher eine Verkleidung aus wetter- und feuerfesten Aluminiumblechen. Vom ursprünglichen Plan blieben die Holzlaibungen und -rahmen der Fenster sowie die Holzbrüstungen. Letztlich war das ein Glücksfall: Die angepasste Fassade bringt über die Reflexionen viel Licht in die Tiefe des Grundstückes, ist pflegeleicht und erzeugt im Zusammenspiel mit den Holzelementen die ungewöhnliche Optik, die dem Projekt viel positive Aufmerksamkeit brachte.

5. An Lokales anknüpfen

Auch beim Vorderhaus ergibt sich die Fassade aus den Gegebenheiten: Die Kubatur des Gebäudes füllt die Baulücke und reagiert auf die Ecklage an einer Straßenkreuzung. Krohne erklärt das: „Wir wollten hier einen markanten Hochpunkt ausbilden, gleichzeitig an die unterschiedlichen Traufhöhen und Fassadenfluchten der Nachbargebäude anschließen.“ Die Fassade des Vorderhauses knickt daher im schiefen Winkel zu zwei Seiten und teilt sich asymmetrisch vom Sockel bis zum Giebel in eine kurze und eine lange Gebäudeseite und in unterschiedlich geneigte und lange Dachflächen.

Aus ökologischen Gründen wählten die Planenden für die oberen Straßengeschosse eine Lärchenholzfassade mit Mineralwolldämmung. Um sie aber besser ins Stadtbild einzufügen, setzen sie die breiten Verschalungsbretter fugenlos aneinander, so dass die Fassade von Weitem so homogen wirkt wie eine der umgebenden Putzfassaden. Je näher man dem Gebäude kommt und je genauer man hinsieht, desto mehr treten einzelne Elemente hervor, die sich zwar abheben, dabei jedoch an die Gestaltung der Nachbarschaft anknüpfen: So wie die halb herausgeschobenen Loggien, die typisch sind, hier aber die Asymmetrie der Fassadenkante betonen. Ebenso die Sprossenkreuze der Fenster, ebenfalls typisch für die benachbarten Altbaufenster, die hier die Größe der Fenster betonen. Oder die erwähnten glasierten Klinkerriemchen, die ein für die Umgebung übliches Sockelgeschoss definieren. Die Klinker sind dabei typisch für viele Neuköllner Fassaden aus den 1970er-Jahren und für die Gewerbehinterhöfe und werden regional hergestellt.

6. Keine Angst vor Kontroversem und Unkonventionellem

Klinker, Holz und Aluminium, verschiedene Haptiken, Kubaturen und Farben –  all das mischt sich bei diesem Projekt zu einer sehr unkonventionellen Architektur, die dem modernen Dogma der Schlichtheit in Material und Form entgegenstehen. Die Architektur steht aber nicht ihrer selbst willen da, sondern wuchs flexibel mit und aus dem Baugruppenprozess. Sie reagiert auf die jeweiligen Anforderungen und Bedürfnisse, und die sind eben komplex und vielfältig. Die Architektur spiegelt die für Baugruppen typische Dynamik wider und ist daher wie ihre Bewohnerinnen und Bewohner ein funktionierendes Ganzes aus Vielem.

Alle Bilder: Thomas Straub
Zeichnung Grundriss: IFUB*

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten: