Wer sagt, dass Ökologie und Klimaschutz nicht einhergehen können mit vielen anderen Anforderungen wie Wirtschaftlichkeit, Funktionalität oder Schnelligkeit? Mit ihrem Laborgebäude aus Holz, dem ersten seiner Art in Österreich, bewiesen die Architekten von SWAP und DELTA, dass sich mit Holz und Mineralwolle eigentlich alles klimagerecht bauen lässt.
Ökologie allein reicht als Argument beim Bauen nicht. Ein Gebäude hat viele weitere Anforderungen wie Funktion, Ökonomie, architektonische, innen- und stadträumliche Qualität zu erfüllen. Hinzu kommen je nach Nutzung komplexe baurechtliche, energetische und technische Anforderungen. So wie bei diesem Laborgebäude in Tulln, Niederösterreich. Dort sitzen Forschung, Analytik und Verwaltung des Departements der Agrarbiotechnologie (IFA) der Universität für Bodenkultur (BOKU).
Die Arbeitsprozesse der Menschen in diesem Gebäude unterscheiden sich sehr, auch wenn sie als Team eine Forschungseinheit bilden. Der für den Neubau ausgeschriebene Wettbewerb hatte deshalb schon in der Ausschreibung eine umfangreiche und genau definierte Liste funktionaler und technischer Anforderungen. Dazu kamen sehr enge Zeitvorgaben. Dagegen blieb der Wunsch, ein nachhaltiges Gebäude zu errichten, eine eher unkonkrete Selbstverständlichkeit. Denn die BOKU lehrt und erforscht seit über 150 Jahren, was Nachhaltigkeit für die verschiedenen Disziplinen, von Biotechnologie bis Ingenieurwesen, bedeutet. Die Nachhaltigkeit ihres Neubaus ist also von vorneherein gesetzt. Aber was heißt das konkret?
Der Architekt Christoph Falkner hat mit diesem Begriff ein Problem: „Nachhaltigkeit ist ein extrem strapaziertes Wort. Wir reden daher vom klimagerechten Bauen und stellen dabei die Ressourceneffizienz in den Mittelpunkt.“ Falkner ist Partner beim Architekturbüro SWAP, das zusammen mit dem Planungsbüro DELTA den Wettbewerb für den Neubau des IFA gewann. Mit einem Gebäude aus Holz, nicht nur wegen der positiven Klimabilanz des Werkstoffes, sondern weil dieser Baustoff für die Architekten die größte Ressourceneffizienz versprach: Mit einem Gebäude aus Holz ließ sich der Aufwand von Zeit, Geld, Produktion, Bauprozess und Logistik gleichermaßen optimieren.
Die Verarbeitung von regionalem Holz und dessen werkseitige Vorfertigung zu Holzrahmenelementen beschleunigt den Bauprozess enorm und hält Lieferwege klein. Beides ist gut fürs Baubudget und fürs Klima. SWAP setzen deshalb in vielen ihrer Projekte auf Holz und wagen sich dabei an für Holz ungewöhnliche Nutzungen. Auch ein Laborgebäude aus Holz gab es bis dato nicht. Entsprechend groß waren die Bedenken der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie Falkner erzählt: „Sie befürchteten, dass die Oberflächen des Holzbaus nicht die Reinheit und Robustheit hätten, die ihre Versuchsaufbauten verlangen.“ Schließlich brauchten sie für ihre Forschung erschütterungsarme Reinräume. Aber die Schnelligkeit der Bauweise, die positive Klimabilanz, die Flexibilität und Erweiterbarkeit der Konstruktion und natürlich der architektonische Entwurf konnten letztlich überzeugen, das Projekt in Holz zu wagen.
Der Grundriss ist sehr kompakt und äußerst funktional. Das Gebäude hat zwei Geschosse mit je einem dreiachsigen Aufbau, einer einläufigen Treppenerschließung und klaren Zuteilungen von Flächen: Die Labore liegen an der schattigen Nordseite mit blendfreiem Tageslicht, die Büros an der Südseite mit Blick in die Landschaft. Dazwischen trennen Lagerräume beide Bereiche voneinander, die Wege im Gebäude sind kurz, zwischen den Nutzungen und ins Freie. Sie sind zudem weitestgehend natürlich belichtet, von überall hat man einen Ausblick auf den Campus. Als sehr funktional erweist sich auch der modulare Aufbau des Gebäudes, denn Grundriss und Konstruktion ermöglichen eine Gebäudeerweiterung und eine flexible Umorganisation der Innenräume.
Dass trotz der hohen Funktionalität eine besondere Aufenthaltsqualität entsteht, liegt an drei Aspekten: Zum einen ist jeder Raum mit bodentiefen Fenstern natürlich belichtet. Zum anderen bleiben Holz- und Beton-Oberflächen weitestgehend unverkleidet und damit optisch und haptisch erlebbar. Die Belichtung und das Material lassen das Gebäude trotz seiner Reinlabore nicht aseptisch, sondern greifbar und naturnah wirken. Ein dritter Aspekt sind die zweigeschossigen, weit unter das Dach gerückten Einschnitte der zwei Gebäudekanten. Hier liegen die Zugänge zum Gebäude sowie die Gemeinschaftsflächen im Innern und die Pausenbereiche außen. Ein Vorhang aus filigran wirkenden, hohen Holzstützen und eine breite Zugangsrampe aus Sichtbeton bilden zusammen ein luftiges, sehr repräsentatives und wettergeschütztes Entree.
Die Architekten entschieden sich für eine Konstruktion in Holzmischbauweise (Holzrahmen- und Holzmassivbauweise), weil sie damit besonders punktgenau auf die jeweiligen Anforderungen reagieren konnten. Statt Dogmatismus suchten sie also die jeweils praktikabelste Lösung. Um im Innern möglichst stützenfreie und frei zonierbare Räume zu erhalten, planten sie, die statische Last über die Außenwände und über einen mittleren Gebäudekern, gebaut aus massiven Brettsperrholzplatten, abzutragen.
In diesem mittleren Gebäudekern liegen die Lagerräume als funktionale Trennung zwischen den Laboren und den Büros. Die Massivholzplatten können die statische Last tragen und haben im Brandfall einen ausreichend großen, massiven Querschnitt, um auch bei Abbrand der jeweiligen Oberfläche die Standsicherheit des Gebäudes ausreichend zu gewährleisten. Deshalb können diese massiven Holzwände unverkleidet und sichtbar bleiben. Das gilt übrigens auch für den Aufzugsschacht und das offene Treppenhaus, die jeweils mit unverkleideten, massiven Brettsperrholzplatten umbaut wurden. Tatsächlich kommen die Architekten bei diesem Gebäude dank der tragfähigen Holzbauteile ohne Betonkern aus. Unverkleidete Brettsperrholzplatten und der Verzicht auf tragende Beton- und Stahltbauteile sparen zunächst Kosten, wirken sich aber auch auf die Funktionalität der Bauteile und die Werkstatt-Atmosphäre der Räume aus.
Ein Holzgebäude ist leichter als ein Gebäude aus Stahl oder Beton, seine geringe Masse schluckt weniger Schwingungen, die durch Bewegungen aus dem Umfeld auf das Gebäude übergehen. Sprich, eine Holzkonstruktion bewegt sich mehr, sie federt mit. Das ist für die Standfestigkeit der Konstruktion selbst durchaus von Vorteil, in einem Laborgebäude aber unerwünscht. Erschütterungen könnten über die Bauteile auf die Laborinstrumente übergehen und zum Beispiel Messungen verfälschen. Was hilft, ist Masse. Deshalb planten die Architekten die Zwischendecke aus massiven, 22,5 cm starken Sperrholzplatten und, für noch mehr Gewicht, eine 6 cm hohe Schüttung auf der Geschossdecke.
Die lose Struktur der Schüttung schluckt Schwingungen besonders gut und kann daher einen Schallübertrag von Raum zu Raum oder im gleichen Raum deutlich reduzieren. Die darauf verlegte, 4 cm dünne Mineralwolldämmung ist dank ihrer flexiblen Oberflächenstruktur perfekt geeignet, um die Schüttung zu nivellieren und sauber abzudecken. Auch sie reduziert mit ihrer dichten, offenporigen Struktur den Schall- und Schwingungsübertrag und optimiert so die Laborbedingungen. Zudem dämmt sie die im Estrich verlegte Fußbodenheizung nach unten und verhindert Wärmeverluste von Raum zu Raum.
Die Außenwände sind aus 18 cm starken Holzrahmenelementen konstruiert und mit Mineralwolle im Gefach gedämmt. Die Holzrahmenbauweise ermöglicht hier schlanke und zugleich hochgedämmte Wandaufbauten. Für den Brand- und Schallschutz dieser tragenden Außenwände, und für einen noch besseren Wärmeschutz, kapselten die Architekten die Außenwand innenraumseitig mit einer weiteren, nur 7,5 cm starken Mineralwolldämmung und einer Gipskartonbeplankung.
Auch die nichttragenden Innenwände bestehen aus mit Mineralwolle gedämmten und mit Gipskarton verkleideten Holzrahmen. So ergeben sich bei diesen Holzrahmenbauteilen beliebig gestaltbare, vor Feuer und Rauch schützende Oberflächen, passend zu den Nutzungsanforderungen der Labore. Und sie vereinfachen die Lösung eines Problems, das sich durch die Technik der Labore ergab, wie Falkner sagt: „Kritisch hinsichtlich möglicher Brandüberträge waren die Installationen der Haustechnik wegen der dafür notwendigen Bauteildurchbrüche. Deshalb haben wir die Installationen in Haustechnikkanälen durch die Bauteile geführt und diese ebenfalls mit Mineralwolle gedämmt.“ In den Wandbereichen mit Mineralwolle im Gefach oder vor der Wand können Installationen sicher sowohl längs der Fläche als auch durch das Bauteil geführt werden. Die Holzrahmenbauweise mit Mineralwolldämmung kommt der Nutzung also entgegen.
Auch die Dachkonstruktion wird raumseitig mit Mineralwolle gegen Brand- und Schallübertrag geschützt. Denn die Architekten hängten unter die Dachbalken Dreischichtplatten aus Holz, auf deren nicht sichtbarer Oberseite eine 3 cm starke Mineralwolldämmung liegt. So wird die Arbeit in den Büros und Laboren leiser und konzentrierter, bei gleichzeitig höherem Brandschutz.
So skeptisch die späteren Nutzer und Nutzerinnen vorab waren, so positiv äußerten sie sich nach dem Einzug. Sie waren überrascht von der hohen Aufenthaltsqualität, die bei herkömmlichen Laboren in der Priorisierung der technischen Anforderungen gewöhnlich vernachlässigt wird. Dass diese technischen Anforderungen auch in Holz und mit einer Dämmung aus Mineralwolle leicht zu erfüllen sind und dass dabei die Raumqualität gewinnt, hat die BOKU überzeugt. Sie beauftragte SWAP mit einem ähnlichen, universitären Neubau in Wien. Diesmal allerdings war zugunsten der Ressourceneffizienz und der Raumqualität der reine Holzbau mit einer Mineralwolldämmung explizit gewünscht. Dank der Schnelligkeit der vorgefertigten Holzbauweise ist dieser zweite Neubau sogar schon in Betrieb.