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Zurück in die Zukunft

Der Stuttgarter Architekt Michael Schott beweist, dass sich die Achtziger architektonisch und technisch lohnen. Bei einer Wohnhaussanierung setzt er auf Holz und Mineralwolle, auf Licht und Weite. Das Haus hat jetzt ausreichend Fläche, viel Komfort, eine zeitgemäße Optik und eine hohe Energieeffizienz. Wie das gelang, lesen Sie hier.

Die Achtziger liegen im Trend, doch in der Architektur tut man sich mit dieser Dekade schwer. Damals wurden Leichtbauweisen und Fertighäuser aus Holz massentauglich, die ersten Neubauten mit Wärmeschutzverordnung und die ersten Ökosiedlungen entstanden. Gestalterisch setzten die Architekten auf Vor- und Rücksprünge, Splitlevel samt offener Wohnebenen und Treppen sowie viele Materialwechsel. Alles, damit auch eng bebaute Räume interessant und abwechslungsreich wirkten. Doch das geht einher mit Wärmebrücken, verschnittenen Flächen und Hüllen, die heute eine energetische Sanierung sowie eine flexible Anpassung der Grundrisse erschweren.

Oft führten auch konstruktive Mängel über die Zeit zu Schäden an den Holzbauteilen. Auch deshalb müssen diese heute meist statisch ertüchtigt werden. Dass es sich trotzdem lohnen kann, die Achtziger fit für die Zukunft zu machen, zeigt der Architekt Michael Schott bei einem Wohnhaus in Stuttgart-Wangen.

Die Lage: steil, eng und dunkel

Dort zog eine Familie in ein rund 40 Jahre altes, unsaniertes Reihenendhaus. Es war ein für die Bauzeit typisches Holzhaus mit beiger Lamellenfassade und mit in dunklem Holz profilierten Gebäudekanten und Fensterflächen – aus heutiger Sicht nicht schön, aber zweckmäßig, mit Garten und in guter Lage. Als sich wenige Jahre nach Einzug das vierte Kind ankündigte, wurden die 120 m² Bestandsfläche für die Familie zu klein. So beauftragte sie den Architekten Michael Schott mit einer Erweiterung des Bestandes. Und wo er schon einmal dabei war, sollte er auch gleich die marode Holzfassade samt Markisen und die alte Elektro-Heizung des Hauses energetisch sanieren und dem Haus eine zeitgemäße Optik geben.

Trotz guter Lage war die Ausrichtung des Gebäudes ebenso wie die steile Topographie des Grundstückes für die Belichtung und die Erweiterung kniffelig. Die lange Nordostseite zeigt zwar in Richtung Tal, bleibt aber als Brandwand zum Nachbarhaus fensterlos. Die lange Südwestseite grenzt dagegen an den aufsteigenden Hang und die Straße, die sich auf Höhe des Obergeschosses den Berg hochzieht. Die Belichtung des rund zwölf Meter langen Hauses erfolgte also vor allem über die nur sechs Meter schmale Gebäudeseite. Es galt, mit einer Sanierung mehr Platz, mehr Licht und mehr Wohnkomfort zu schaffen bei gleichzeitig niedrigeren Energiekosten. Schott musste das alte 80er-Jahre-Wohnhaus im Gesamten, also gestalterisch, funktional und technisch, zurück in die Zukunft holen.

Die Idee: ran an den Berg

Die erste Idee des Architekten war eine Aufstockung des Gebäudes. So hätte die Familie recht einfach viel Fläche und eine gute Aussicht gewonnen. Doch Schott winkt ab: „Das Baurecht sprach leider dagegen.“ Stattdessen plante der Architekt, die freie Längsseite des Gebäudes noch näher an den Berg zu rücken, im Erdgeschoss um eineinhalb Meter, im Obergeschoss um zweieinhalb Meter. Die Familie gewinnt so insgesamt 17 m² mehr Wohnfläche, dazu im Obergeschoss eine 16 m² große Loggia nach Süden und im Erdgeschoss einen überdachten Eingangsbereich samt überdachter Südterrasse.

Außerdem setzt der Architekt bei dieser herausgeschobenen Südfassade auf große Glasflächen und bringt so viel Licht ins Innere. Das Erdgeschoss befreite er von Trennwänden, so dass ein weiter Wohnraum mit offener Küche entstand.

Die Konstruktion: Behutsam neu bauen, Altes schonen

Für die neue Erweiterung wählt Schott analog zum Altbau eine Holzrahmenkonstruktion. Er begründet: „Die Konstruktionsweise [des Altbaus] war ein Holz-Skelettbau in Reinform mit einem strengen 1m-Raster. Das hatte einen großen, architektonischen Reiz. Das Gebäude sollte daher nicht überformt, sondern zeitgemäß weitergebaut werden.“ Die Erweiterung dockt konstruktiv an den Bestand an, verschont ihn aber von allzu großer Mehrlast.

Dafür maßgeblich ist die gestaffelte Tiefe der Erweiterung: Die neue Außenwand des Erdgeschosses steht etwa mittig unter der Erweiterung des Obergeschosses. Sie trägt daher einen Großteil des Gewichtes der Erweiterung und reduziert so die Mehrlast, die das bestehende Ständerwerk durch den Neubau zu tragen hat. Das erspart eine statische Ertüchtigung der bestehenden Balken und Stützen. Die Auskragung ist außerdem ein Gestaltungselement, das Schott durch einen Wechsel des Fassadenmaterials – statt Holz eine Verkleidung aus Aluminiumplatten – betont.

Der Wandaufbau: eine dämmende Hülle mit Mineralwolle

Aber nicht nur die Erweiterung, sondern vor allem die Sanierung des Altbaus war komplex: Das bestehende Holzständerwerk blieb zwar weitestgehend erhalten; nur einzelne Stützen mussten in Sockelhöhe, wo Spritzwasser dem Holz geschadet hatte, ausgebessert werden. Doch die alte, nur sechs Zentimeter dünne Gefachdämmung, sowie die Fassadenunterkonstruktion, die nicht mehr luftdichten Folien und die Bekleidung der Fassade waren marode und defekt. Schott musste daher den gesamten Wandaufbau bis zur Innenbekleidung entfernen lassen.

Für einen zeitgemäßen Dämmstandard ließ der Architekt das Ständerwerk mit vier bis acht Zentimeter tiefen Rahmenhölzern aufdoppeln und begradigen. Das Gefach samt Aufdopplung fasst nun eine 24 bis 28 cm starke Dämmung aus Mineralwolle. Zur Wahl des Dämmstoffes sagt Schott:

„Mineralwolle bot sich als kostengünstiges und zugleich gut an Hohlräume anpassbares und hervorragend dämmendes Material einfach an.“

Auch bei der Fassadengestaltung orientierte sich der Architekt am Bestand und wählte wieder eine Lamellenfassade, diesmal aus Weißtanne. Bei der Sanierung des Altbaus waren es aber vor allem die Übergänge von Bauteil zu Bauteil, die immer wieder individuelle Lösungen erforderten. Im Vordergrund stand die möglichst energieeffiziente Hülle. Die Fenster wurden ausgetauscht, das Bestandsdach erhielt eine zusätzliche Dämmlage und der Betonsockel des Bestandes eine neue Perimeterdämmung.

Die Baustelle: mit Bewohnenden und am Berg

Nicht nur die Bauweise, auch die Baustelle selbst erschwerte die Sanierung. Die Hanglage verhinderte, dass Material und Bauteile vors Haus gefahren werden. Stattdessen mussten schwere Lasten mit einem Kran von der höher gelegenen Straße auf die Baustelle gehoben werden. Außerdem berichtet der Architekt: „Die Arbeiten sollten alle im bewohnten Zustand stattfinden und möglichst wenige Einschränkungen mit sich bringen. Wir haben also genutzte Zimmer durch Staubwände vom Baustellenbereich getrennt und Zugänge immer wieder verlegt.“

Auch die Einliegerwohnung im Souterrain sollte weiter bewohnt werden, was eine energetische Ertüchtigung der Kellerbodenplatte unmöglich machte. Während also der Rest des Kellers eine Kellerdeckendämmung erhielt, verblieb auf der 21 m² großen beheizten Kellerfläche nur die bestehende, sehr dünne Bodendämmung. Trotzdem erreicht das Gebäude mit seiner mit Mineralwolle hoch gedämmten Hülle und neuen Fenstern einen deutlich besseren Dämmwert (H‘T 0,403 W/(m²K)) als ein herkömmlicher, nach GEG gebauter Neubau.

Die Bilanz: Effizienzmaßnahmen haben sich in drei Jahren amortisiert

Der errechnete Primärenergiebedarf liegt mit ca. 88 kWh/(m²a) auf Neubauniveau, der errechnete Endenergieverbrauch liegt bei 49 kWh/(m²a). Auch gebäudetechnisch hat sich viel getan: Die alte Elektroheizung wich einer effizienten Luft-Wärmepumpe. Alles in allem katapultierte die Sanierung das Gebäude technisch und funktional in unsere Zeit und machte es fit für die Zukunft. Dabei betrugen die Mehrkosten der energetischen Sanierung gegenüber der funktional notwendigen Sanierung etwa 30.000 Euro. Der Architekt bilanziert:

„Bei der errechneten Energieeinsparung von 25.000 kWh pro Jahr und einem Strompreis von 35 ct pro kWh ergibt sich eine Kosteneinsparung von 8.750 Euro pro Jahr.“

Die CO2-Einsparung beträgt etwa zwölf Tonnen, das entspricht in etwa ebenso viel Transatlantikflügen – jährlich! Schon in dreieinhalb Jahren hat sich das Plus an Energieeffizienz durch Dämmung und Heizungsaustausch finanziell amortisiert. Das Mehr an Platz, Licht und Wohnkomfort sind dagegen sofort spürbar.


 

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Die Familie übernahm das Stuttgarter Reihenendhaus im Originalzustand. Als es zu klein wurde, beauftragte sie den Architekten Michael Schott, das Haus im Rahmen einer Flächenerweiterung auch energetisch und gestalterisch zu modernisieren.

Wohnhaus in Stuttgart I Sanierung I Südbalkon I Der Dämmstoff I Foto schott architekten

Das Haus rückte mit der Erweiterung eineinhalb Meter im Erdgeschoss und zweieinhalb Meter im Obergeschoss an den Berg heran und erhielt so 17 m² mehr Wohnfläche. Dabei entstanden ein überdachter Eingangsbereich und ein Südbalkon.

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Wie der Altbau ist auch die Erweiterung ein Holzrahmenbau mit einer Gefachdämmung aus Mineralwolle.

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Auch während der Bauphase blieb die Familie im Haus wohnen. Deshalb ergänzten die Handwerker Dampfbremsen, Mineralwolledämmung und die konstruktiv notwendige Aufdopplungen der Rahmenkonstruktion von außen.

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Quasi wie neu sind die Wände, mit zeitgemäßer Dämmdicke und neuen Fenstern. Die Verkleidung aus Holzlamellen aber ist der architektonischen Idee von damals entlehnt.

Alle Fotos und Zeichnungen: schottarchitekten.de

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